Eine philosophische und theologische Evaluation[6]
In diesem Artikel will ich versuchen, den rhetorischen Missbrauch der Begriffe „Terror“ und „Dschihad“ aufzuzeigen und die Tatsache, dass sich diese Rhetorik der Entwicklung eines „kommunikativen Prozesses“ verweigert. Mit dem Wort „Rhetorik“ meine ich den manipulativen Gebrauch der Sprache, besonders für politische Zwecke. Als der Kalte Krieg endete, war in Bezug auf die Globalisierung Optimismus der überall vorherrschende Trend. Allerdings wurde mit dem 11. September eine Büchse der Pandora geöffnet und der Optimismus brach zusammen – gemeinsam mit den beiden Türmen im Herzen Amerikas, dem Leviathan[7] der sich globalisierenden Welt. Mit diesem Ereignis bekamen nun jene Leute die Oberhand, die bereits wegen des Golfkriegs 1991 skeptisch gegenüber diesem Optimismus waren und die These des „Zusammenpralls der Zivilisationen“ verteidigten.
Die sich auf diese Thematik fokussierenden Debatten haben die Aufmerksamkeit vieler Bereiche erregt, von der Religionsphilosophie bis zur Politikphilosophie, von der Sprachphilosophie bis zur Ethik und Hermeneutik, von den internationalen Beziehungen bis zur Theologie.
Ich möchte meinen Artikel mit einem Zitat Derridas zum 11. September beginnen.:
„Ein „Philosoph“ wäre wohl einer, der nach neuen Kriterien sucht, um zwischen „begreifen“ und „rechtfertigen“ zu unterscheiden. Denn jemand kann eine bestimmte Folge von Vorkommnissen oder Assoziationsketten, die zu „Krieg“ oder „Terrorismus“ führen, beschreiben, verstehen und erklären, ohne sie auch nur im Geringsten zu rechtfertigen, sondern sie tatsächlich zu verurteilen und zu versuchen, andere Assoziationen zu finden. Man kann bestimmte Terrorakte bedingungslos verurteilen (sei dies nun Staatsterrorismus oder nicht), ohne dabei die Umstände zu ignorieren, die sie hervorgebracht oder sogar legitimiert haben.“[8]
6 Ich habe den größten Teil dieses Artikels während meines Aufenthalts als Gastprofessor an der Universität Tokyo, Institut für Islamische Studien, verfasst. Meinen Dank aussprechen möchte ich der Universität Tokyo, dem Institut für Islamische Studien und den Professoren Masataka Takeshita und Harun Anay, die mir bei der Fertigstellung dieser Studie geholfen haben.
7 Leviathan ist ein im Alten Testament erwähntes Seeungeheuer. Es ist auch bekannt als Name eines der Bücher Hobbes über Politik und Philosophie. Mit „Leviathan“ rechtfertigt Hobbes die absolute Macht eines souveränen Herrschers als das kleinere Übel gegenüber dem Chaos.
8 Jacques Derrida, Autoimmunity: Real and Symbolic Suicides, A Dialogue with Jacques Derrida, das Interview von Giovanna Borradori, in Philosophy in a Time of Terror, übersetzt von Pascale-Anne Brault und Michael Naas, überarbeitet von Jacques Derrida, (The University of Chicago Press, 2003), S. 106-107.